Freitag, 19. Juli 2019

FlüRa-Pressemitteilung, 19.07.2019: Gut integrierter Jugendlicher abgeschoben!


Pressemitteilung des Augsburger Flüchtlingsrates vom 19.07.2019



Gut integrierter Jugendlicher abgeschoben! Die Ausländerbehörde macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt und hebelt das Gesetz für gut integrierte Jugendliche aus!

2x3 =4 widdewiddewitt und 3 macht neune. Die Ausländerbehörde macht sich die Welt, wie sie ihr gefällt… Leider kein Auszug aus einem umgedichteten Kinderlied, sondern knallharte Realität der rigorosen Abschiebepolitik der bayrischen Regierung.  
Obschon ein Antrag auf Bleiberecht gestellt war, wurde ein jugendlicher Schüler bereits am 21.05.2019 um 5 Uhr früh mit seiner Familie in den Kosovo abgeschoben.
Im Fall des Jugendlichen Florjan Asllani lagen alle Voraussetzungen für eine gute Integrationsprognose[1] vor. Er besuchte über vier Jahre die Schule in Deutschland und war dort bei seinen MitschülerInnen und LehrerInnen geschätzt. Des Weiteren war Florjan sozial engagiert, indem er als Klassensprecher für die Klasse tätig war. Auch außerhalb seiner Schulzeit hat er sich als Schülerlotse engagiert. Sein soziales Engagement in und außerhalb der Schule sprechen sehr für die geforderte Integrationsprognose, durch welche ihm ein Bleiberecht zugestanden hätte. Dennoch wurde Florjan mit seiner Familie in den Kosovo abgeschoben. 

Duldung ungleich Duldung?
Die Ausländerbehörde und das Verwaltungsgericht argumentierten dabei äußerst zweifelhaft. Obwohl die Voraussetzungen für eine Erteilung eines Bleiberechts vorlagen, wurde diese mit dem Argument versagt, er bzw. seine Familie hätte nur eine „verfahrensbezogene“ Duldung besessen. Damit ist eine Duldung gemeint, die nur erteilt wird, damit ein verwaltungsgerichtliches Verfahren durchgeführt werden kann, ansonsten aber keine weiteren Gründe vorliegen, die den Verbleib in der Bundesrepublik rechtfertigen.  
In dieser Deutung hätte der junge Florjan keinen ununterbrochen erlaubten, gestatteten oder geduldeten Aufenthalt in Deutschland gehabt, wie der im vorliegenden Fall relevante § 25 A AufenthG für die Bewilligung eines Aufenthaltstitels vorsieht. Mit dieser Argumentationsweise kreieren sich die Ausländerbehörde und das Verwaltungsgericht eine Duldung zweiter Klasse, die bzgl. der Erteilung eines Aufenthaltstitels nach §25a keiner Gesetzesgrundlange unterliegt und somit keine Rechtsgültigkeit besitzen dürfte. Eine Unterscheidung des Duldungsstatus, bzw. eine Abwertung der Duldung zu einer „verfahrensbezogenen Duldung“ im Sinne einer Nichtanerkennung der rechtmäßigen Aufenthaltszeit,  ist im Gesetz nicht vorgesehen.
Das ist gewiss der gravierendste, jedoch nicht der einzige Grund, der die Abschiebeanordnung höchst fragwürdig erscheinen lässt. Neben den offensichtlich vorliegenden Integrationsleistungen von Florjan überging die Ausländerbehörde dabei zudem auch die ärztlich attestierte „schwere Beeinträchtigung der Lungenfunktion“ bei Florjans Vater. Die Schwangerschaft seiner Mutter und die Geburt eines Säuglings fallen dabei ebenfalls ins strittige Zeitfenster. Es gab also reichlich Gründe, die Familie nicht abzuschieben.  

Hinzu kommt, dass die Ausländerbehörden mit der Registrierung von Geflüchteten im hier ausschlaggebenden Jahr 2015 mit der Antragsbearbeitung schlichtweg nicht hinterher kamen und erst nach Wochen oder Monaten Aufenthaltsgestattungen ausstellte. Nun fehlt Florjan und seiner Familie der Beweis, dass sie sich lange genug in Deutschland aufgehalten haben.
Mit benannter Auffassung wird ein gut gemeintes Gesetz, welches die Integration von Jugendlichen in den Vordergrund rücken sollte, ausgehebelt. Im Gesetzesentwurf zu §25a AufenthG heißt es in der Begründung eigentlich, dass die „bisher schon bestehende Möglichkeit, einem gut integrierten jugendlichen oder heranwachsenden Geduldeten legalen Aufenthalt zu gewähren, erleichtert und von verzichtbaren Hemmnissen bereinigt [wird]“.

Am 21.05.2019 wurde die Familie frühmorgens aus dem Bett geholt und mit einem Flugzeug in den Kosovo abgeschoben. Der Vater wurde mit einem Krankentransport zum Flughafen transportiert und zuvor mittels einer Injektion beruhigt. Mittlerweile lebt die Familie in einem Bretterverschlag ohne Betten und muss dort auf dem Boden schlafen. Florjan hat sich in Deutschland bemüht, doch der Ausländerbehörde hat das in diesem Fall nicht ausgereicht. Für ihn und viele andere in seiner Lage heißt es: Auch wenn wir uns zu integrieren versuchen, es hilft nichts! Nichts hilft mehr!


Presseanfragen richten Sie bitte an: fluechtlingsrataugsburg@gmail.com




[1] Mit dem Entwurf eines Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts, dass im Jahr 2009 mit Nachtrag im Jahr 2011 verabschiedet wurde, sollte die Rechtsstellung derjenigen gestärkt werden, die auch ohne einen rechtmäßigen Aufenthalt anerkennenswerte Integrationsleistungen erbracht haben oder die schutzbedürftig sind. Das Ziel des Gesetzes war es nachhaltige Integrationsleistungen durch die Erteilung eines gesicherten Aufenthaltsstatus zu honorieren. Im Rahmend des Bleiberechts wurde mit dem § 25a AufenthG eine Bleiberechtsregelung für gut integrierte Jugendliche und Heranwachsende geschaffen, die nach vierjährigem Schulbesuch oder Erwerb eines deutschen Schul- oder Ausbildungsabschluss einen sicheren Aufenthalt in Deutschland erhalten können. Vgl. https://www.diakonie.de/wissen-kompakt/bleiberecht/