Freitag, 18. Dezember 2020

FlüRa fordert Moratorium

 

Augsburger Flüchtlingsrat fordert Moratorium

Keine repressiven Maßnahmen gegen Geflüchtete – schon gar nicht während des Lockdowns!

 

an

Stadt Augsburg, Ausländerbehörde

Stadt Augsburg, Amt für Soziale Leistungen

Regierung von Schwaben, Zentrale Ausländerbehörde

Bayerisches Innenministerium

Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Abteilung 3

Stadtratsfraktionen

 

Die Situation von Geflüchteten im laufenden oder nach einem abgelehnten Asylverfahren ist äußerst prekär und spitzt sich im Zuge der Corona-Pandemie noch zu. Behörden sind nicht in der Lage oder nicht Willens für menschenwürdige Lebensbedingungen von Geflüchteten auch in Augsburg zu sorgen. Einige Beispiele:

·        Die Unterbringung in Massenunterkünften hat in den letzten Wochen und Monaten immer wieder dazu geführt, dass ganze Unterkünfte unter Quarantäne gestellt wurden, wenn dort Menschen positiv auf COVID-19 getestet wurden. Statt Infizierte von Nicht-Infizierten zu trennen, wird bei Geflüchteten die „Durchseuchung“ präferiert. Damit werden die Bewohner*innen der Unterkünfte einem Gesundheitsrisiko ausgesetzt, das man für die restliche Bevölkerung unbedingt vermeiden will. Es ist ein Skandal, wie hier mit zweierlei Maß gemessen wird.

·        Während die Bundesrepublik am 16.12.2020 in den „harten Lockdown“ geht, wurden am selben Tag 30 Menschen nach Afghanistan abgeschoben – erstmals wieder seit März 2020. Abschiebungen stellen immer eine gravierende Menschenrechtsverletzung dar, indem sie massiv die Selbstbestimmung und die Persönlichkeitsrechte von Einzelnen verletzen. Abschiebungen in (Bürger-)Kriegsgebiete wie Afghanistan, Somalia oder Syrien sind umso gravierender als dort das Risiko besonders hoch ist, dass Abgeschobene durch Gewaltakte verletzt oder getötet werden. Nun kommt auch noch die Corona-Pandemie dazu. Das Auswärtige Amt warnt alle deutschen Staatsangehörigen vor Reisen nach Afghanistan und stellt fest, dass Afghanistan „von COVID-19 besonders stark betroffen“ ist. Die medizinische Versorgung entspreche „größtenteils nicht internationalen medizinischen Standards“. Menschen, die stark von COVID-19 betroffen sind, haben dort also weit geringere Überlebenschancen als in Deutschland. Das alles gilt nicht nur für Afghanistan. Es ist offensichtlich völlig inakzeptabel, dass derzeit Abschiebungen stattfinden und die Menschen somit in Lebensgefahr gebracht werden.

·        Nicht nur Abschiebungen, sondern auch negative BAMF-Bescheide, Ausreiseaufforderungen und Abschiebungsandrohungen, die die Menschen trotz der Corona-Pandemie erhalten, führen zu massiven Ängsten und können bei den Menschen Panik und Traumata auslösen. Diese Reaktionen können aufgrund der coronabedingt reduzierten Beratungsmöglichkeiten von Behörden und Wohlfahrtsorganisationen nur eingeschränkt bis gar nicht aufgefangen werden. Auch ehrenamtliche Unterstützung ist derzeit kaum noch möglich. Negative BAMF-Bescheide sind in dieser Situation eine noch stärkere psychosoziale Belastung für die Betroffenen, als sie es ohnehin schon sind.

·        Wir beobachten, dass auch in Augsburg die Behörden in vielen Fällen unkooperativ sind und keine Härtefall- oder Ausnahmeregelungen zulassen. Und das in einer Situation, in der die Behörden ihrer Beratungs- und Fürsorgepflicht nur eingeschränkt nachkommen. Auch in Augsburg werden Abschiebungen angedroht und Sozialleistungen gekürzt – beispielsweise aufgrund fehlender Mitwirkung bei der Passbeschaffung. Dabei ist die Passbeschaffung (ebenso wie die Identitätsklärung) aufgrund eingeschränkter konsularischer Tätigkeiten vieler Auslandsvertretungen in Deutschland häufig schlicht nicht zu schaffen.

·        Psychiatrische Behandlungen von teilweise schwerst traumatisierten und suizidalen Personen konnte aufgrund der Kettenquarantänen ganzer Unterkünfte vielfach nicht fortgesetzt werden. Dies birgt für diese Personen ein massives Risiko. Wenn Betroffene zudem in dieser Situation Bescheide von Ämtern erhalten, die repressive Maßnahmen androhen oder deren Durchsetzung bekanntgeben, kann und wird dies fatale Folgen haben.

Bildung, Ausbildung, Arbeit, Soziales, Gesundheit, Rechte – alles steht für geflüchtete Menschen in prekären Lebenslagen und unter den Bedingungen des Lockdowns noch viel stärker auf dem Spiel. In dieser Ausnahmesituation ist es unerlässlich, ja sogar eine Pflicht, repressive asyl- und sozialrechtliche Maßnahmen auszusetzen.

Wir fordern daher alle zuständigen Behörden zu einem Moratorium auf. Bitte setzen Sie alle repressiven asyl- und sozialrechtlichen Maßnahmen mindestens für die Zeit des „harten Lockdowns“ und unter den Pandemiebedingungen aus. Insbesondere fordern wir ein Moratorium für

·        Aufforderungen zur freiwilligen Ausreise, Abschiebungsandrohungen, aufenthaltsbeendende Maßnahmen und Abschiebungen,

·        Aufforderungen zur Mitwirkung bei der Identitätsklärung und Passbeschaffung,

·        Leistungskürzungen im Sinne des AsylbLG,

·        Inhaftnahmen und Ingewahrsamnahmen zum Zwecke der Abschiebung und Ausreise, und für

·        das Versenden negativer Asylbescheide des BAMF.

Bitte bemühen Sie sich um die Gesundheit geflüchteter Menschen in gleicher Weise, in der Sie sich für die Gesundheit der restlichen Bevölkerung einsetzen.

 

gez.

Augsburger Flüchtlingsrat


 

Mittwoch, 9. Dezember 2020

"Ich schweige so laut ich kann..." - Gedicht von D. Polat, verfasst anlässlich der Mahnwache "Menschlichkeit Jetzt!" am 06.12.2020

Wir freuen uns sehr, dass unsere Mahnwache "Menschlichkeit Jetzt! - #BayernNimmtAuf" am vergangenen Sonntag trotz widriger Umstände und später Stunde von gut 70 Leuten besucht wurde. Ebenfalls freuen wir uns ganz außerordentlich, dass wir das von Düzgün Polat (ZAM e.V.) eigens für die Mahnwache verfasste Gedicht an dieser Stelle veröffentlichen dürfen. Ein kurzer Bericht zur Mahnwache findet sich bei Aux-Punks.

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Ich schweige so laut ich kann, doch hört man es nicht! - An die Nachgeborenen  

 

„Wirklich, ich lebe in finsteren Zeiten“

Schrieb Brecht an die Nachgeborenen! An uns! An dich! An mich!

Er schrieb das vor fast einhundert Jahren, und ich weiß er schrieb dies sogar in weiser Voraussicht!! Für genau Heute!

An Uns!

            An Dich!

                        An mich!

 

Und nun, in Finsteren Zeiten schreibe ich an Brecht!!

An uns!

            An dich

                        und an mich!

Und vielleicht liest dies jemand,

und die Finsteren Zeiten ändern sich! 

 

Ich bin?

            Ich bin ein?

Was bin ich denn?

Für die einen Wirtschaftsflüchtling!

                                                           Für die anderen eine Welle!

Für die Politik ein illegaler!

Eine Grenzüberschreiterin bin ich auch!

Eine Frau,

            ein Mann,

                        ein Kind!

                                   Ein unbegleiteter Geflüchteter!  

Alles bin ich!! Alles kann ich sein!!

Nur das eine NICHT, ein Mensch, der ich aber sein will, das bin ich nicht!

Darf ich nicht sein!!

 

Ich bin!

            Ich bin ein?

Wer bin ich denn?

Für die einen eine Zahl!

            Für die anderen ein Gefangener!

Für den nächsten ein Sexobjekt! Ein Hassobjekt! Ein Feind!

Ein Etwas, dass hier nicht her gehört!!

Alles bin ich!! Alles kann ich sein!!

Nur das eine NICHT, ein Mensch der Schutz sucht, der ich aber sein will, das bin ich nicht!

Darf ich nicht sein!!

 

Ich bin!

            Ich bin ein!

Wie bin ich denn?

Für die einen stehe ich an der Grenze und darf nicht rein.

Für die anderen ein Leiche auf dem Mittelmeer.

                                               Für die nächsten brenne ich in Moria.

Ich erfriere!

            Ich infiziere mich, werde Krank!

                                                                       Ich werde inhaftiert.

Alles bin ich! Alles kann ich sein!

Nur das eine Nicht, ein Mensch der Leben darf in Freiheit und selbstbestimmt, der ich aber sein will, das bin ich nicht!!

Darf ich nicht sein!!

 

Ich stehe nun hier!!

Schweige so laut ich kann.

                                   Doch keiner hört mich!

Werde nicht gehört.

            Es wird weggehört!

                                   Weggesehen!

                                                           Weggerechnet!

                                                                                   Weggeschossen!

Das alles bin ich! Das alles mache ich!

Nur das eine geschieht nicht, als Menschen anerkannt zu werden, was ich aber will, das geschieht nicht!!

                                   Daher sterbe ich!!

 

Nun bin ich eine Leiche!

            Liege Tot unter der Erde!

                                               Auf dem Meeresgrund!

                                                                                   In Schutt und Asche!

Ich sterbe jeden TAG!

Ich bin unter den Toten.

                                   Tot bin ich!

Um Leben zu können

                                   starb ich!!

Und dies wollte ich nicht,

                                   für keinen Menschen

                                                           und auch nicht für mich!

 

 

04. Dezember 2020

Düzgün Polat


 

 

 

Montag, 7. Dezember 2020

FlüRa lädt ein: Online-Vortrag "Familiennachzug von Unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Griechenland"; 10.12., 18.30

 

Am 10.12., laden wir gemeinsam mit dem AK Lesbos zum Vortrag "Familiennachzug von Unbegleitetenminderjährigen Flüchtlingen in Griechenland". Die Juristin Anne Pertsch vom griechisch-deutschen Verein Equal Rights Beyond Borders wird über die Situation von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen und Unterstützungsmöglichkeiten bei der Familienzusammenführung informieren.

Termin: 10.12.2020                    Uhrzeit: 18.30-20.30

Die Veranstaltung findet online statt und kann über folgenden Zugangslink erreicht werden:

https://zoom.us/j/95286417810?pwd=eXdNTEZnNHdmaEtNenhxREtXWkswZz09

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Familien gehören zusammen! Was so selbstverständlich und klar klingt bleibt vielen Geflüchteten teilweise über Jahre vorenthalten. Das gilt auch, wenn Familien in verschiedenen Ländern der Euopäischen Union angekommen sind. Das gilt, obwohl einer der Grundsätze des gemeinsamen europäischen Asylsystems besagt, dass es Familien erlaubt sein muss, ein gemeinsames Asylverfahren in einem europäischen Land durchzuführen.

Das ist allerdings mit enormen bürokratischen Hürden verbunden. Komplizierte Verfahrensabläufe, sprachliche Hürden und fehlende Rechtsberatung erschweren oder verhindern die Zusammenkunft der Familie, die eigentlich selbstverständlich sein sollte

Der griechisch- deutsche Verein „Euqal Rights Beyond Borders“ setzt genau dort an, und verhilft Geflüchteten zu Ihrem Recht. Die Juristin  Anne Pertsch  berichtet von der Situation unbegleiteter Minderjähriger in Griechenland, auch abseits der bekannten Elendslager, von der täglichen Arbeit für die Familienzusammenführung und wie Berater:innnen und Freiwillige dies unterstützen können. Insbesondere kann diskutiert werden, inwiefern die  innereuropäische Familienzusammenführung ein probates Mittel zur Entlastung der Aufnahmesituation in Griechenland darstellt. Im Anschluss besteht die Möglichkeit für offene Fragen und Diskussion

Die Veranstaltung ist eine Kooperation des AK Lesbos mit der Diakonie Augsburg und dem Augsburger Flüchtlingsrat mit freundlicher Unterstützung der Lokalen Agenda 21 der Stadt Augsburg

Die Teilnahme ist kostenlos. Spenden sind für den Verein „Equal Rights Beyond Borders“ erwünscht:

Spendenkonto

Equal Rights Beyond Borders

GLS Gemeinschaftsbank eG
IBAN DE47 4306 0967 1209 3013 00
BIC GENODEM1GLS