Wer zunächst die Beschlussvorlage des OB-Referats lesen möchte, kann das hier tun.
Durch die Mehrheit der CSU im Stadtrat wurde der Antrag der SPD-Fraktion abgelehnt, Augsburg zu einer sicheren Hafenstadt zu erklären sowie in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Merkel anzubieten, aus Seenot gerettete Flüchtlinge in Augsburg aufzunehmen. Vorbild für eine solche Solidaritätsbekundung mit starker Signalwirkung an andere Städte sind u. a. Bonn, Düsseldorf, Köln, Potsdam, Regensburg, Solingen und Osnabrück.
Jährlich sterben tausende Menschen bei ihrem Versuch, Europa zu erreichen. Die europäischen Staaten sind durch ihre rigide Abschottungspolitik mitverantwortlich für das Sterben auf dem Mittelmeer. Private Seenotrettungsorganisation versuchen die unterlassene Hilfeleistung Europas einigermaßen zu kompensieren. Ihnen wird durch fingierte Anschuldigungen und Gerichtsverfahren die Rettung von Menschenleben nahezu unmöglich gemacht. Was sich seit Jahren an den Außengrenzen Europas abspielt, ist menschenverachtend und skandalös.
Dieser Situation wollte die SPD mit ihrer Initiative im Stadtrat ein deutliches Signal entgegensetzen.
Ausgangspunkt der Initiative war die bewegende Rede des Lifeline-Kapitäns Claus-Peter Reisch auf dem Augsburger Hohen Friedensfest, in der er die Situation auf dem Mittelmeer schilderte – allerdings unangekündigt. Wegen dieser Intervention, die ein überregional positives Echo auslöste, ist die Augsburger CSU immer noch beleidigt. So moniert sie auch in ihrem jüngsten Stadtratsbeschluss, der den SPD-Antrag in weiten Teilen ablehnt, die „nicht abgestimmte Aktion“.
Gleichwohl freuen wir uns, dass die CSU in ihrem Stadtratsbeschluss den Augsburger Flüchtlingsrat zitiert, sich also offenbar intensiv mit unseren Forderungen beschäftigt. Dass sie allerdings aus unseren Forderungen ableitet, wir würden die Abschaffung des vom Gesetzgeber beschlossenen Asyl- und Ausländerrechts fordern, ist falsch. Mehrfach betont die Augsburger CSU im Kontext ihres Beschlusses, dass man sich an Recht, an rechtsstaatliche Verfahren und an Regeln halten müsse.
Diese Auffassung teilt der Augsburger Flüchtlingsrat. Jedoch unterschlägt die CSU geflissentlich, dass Gesetze gemacht werden und veränderbar sind. Und wer wüsste das besser als die CSU selbst, die nicht nur in Bayern eine besonders restriktive Auslegung bunddeutscher Asyl- und Aufenthaltsgesetze pflegt, sondern maßgeblich für die rechtlichen Verschärfungen der letzten Jahre verantwortlich ist (Beispiel „Anker-Zentren“).
Fazit: Die CSU stiehlt sich mal wieder aus der Verantwortung, indem sie sich auf den Standpunkt zurückzieht, am Recht könne man nicht rütteln und sie setze ja nur Recht um. Und was fordert nun der Augsburger Flüchtlingsrat, wenn er verkündet „Gewährt allen Asyl, die in ihren Heimatländern verfolgt werden oder unter Krieg, Not und Perspektivlosigkeit leiden! Stoppt die Abschiebungen von Geflüchteten!“ ? Wir fordern, dass der Gesetzgeber ein Asyl- und Aufenthaltsrecht schafft, das nicht auf Ausgrenzung, Restriktion und Abschiebung beruht, sondern auf Teilhabe, Mitmenschlichkeit und Bleibeperspektiven. Auf lange Sicht setzen wir uns für eine Welt ein, in der es schlicht kein Asyl- und Aufenthaltsrecht mehr bedarf.
Schließlich betont die CSU in ihrem Stadtratsbeschluss, die Stadt Augsburg leiste „Herausragendes mit ihren Bürgerinnen und Bürgern und den vielfältigen ehrenamtlichen oder hauptberuflichen Akteuren der Stadtgesellschaft [...] im Themenfeld von Flucht und Migration“. Das sehen wir als Augsburger Flüchtlingsrat genauso und geben weiterhin unser Bestes, um die vielen unmenschlichen Auswüchse europäischer, bundesdeutscher, bayerischer und kommunaler Politik anzuprangern.
Tipp: Der Zusammenhang zwischen lokaler und globaler Politik (z. B. zwischen steuerlich einträglichen Rüstungsfirmen in Augsburg und Fluchtursachen), laden wir herzlich ein zu Vortrag und Diskussion „Fluchtursachen made in Europe“ am 2. November 2018 mit Stephan Lessenich (LMU München) in der Stadtbücherei Augsburg.