Donnerstag, 22. Juni 2017

Stellungnahme zum Artikel der Augsburger Allgemeinen vom 21. Juni 2017


Der Augsburger Flüchtlingsrat protestiert aufs Schärfste gegen die Sichtweise, die die Augsburger Allgemeine in ihrem tendenziösen Artikel „Studie: Jeder zweite abgelehnte Flüchtling bleibt“ von Detlef Drewes vom 21. Juni 2017 vertritt.

hier die Links zur AZ zum Gegenlesen:

Die Augsburger Allgemeine titelte am 21. Juni 2017 mit vorwurfsvollem Unterton, dass „jeder zweite abgelehnte Flüchtling bleibt“. Der Autor des Artikels, Detlef Drewes, kritisiert, es würde keine Rolle spielen, ob ein/e Asylbewerber/in, „abgelehnt oder akzeptiert wurde“. In einem ergänzenden Kommentar auf der Titelseite beklagt Drewes, „dass faktisch jeder Afrikaner, der es nach Europa schafft, bleiben darf“. Somit würde die Entscheidung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Asylantrag „nebensächlich“. Dies ist keine neue Argumentation. Rechtspopulistische Stimmen kritisieren seit Langem wie Drewes, die deutsche Rechtsprechung würde unterlaufen, da die Ausreisepflicht in vielen Fällen nicht vollzogen werde.

Diese Sichtweise ist irreführend. Im Aufenthaltsgesetz heißt es in § 60a Abs. 2 Satz 1: „Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.“ Auf die meisten abgelehnten Asylbewerber/innen trifft dies zu. Sie erhalten damit eine Duldung. Geflüchtete werden in diesem Status an den Rand des Existenzminimums gedrängt, sie unterliegen ausländerrechtlichen, sozial- und arbeitsrechtlichen Sanktionsmechanismen – alles nur um ökonomisch, sozial und psychisch den Druck zur „freiwilligen“ Ausreise oder zur Vorlage eines Passes, der die Abschiebung ermöglicht, zu erhöhen. Die Regierung tut also sehr viel, um Ausreisen zu erzwingen. Dass diese Asylpolitik Menschenleben nachhaltig zerstört und dass sie Menschen die Selbstbestimmung raubt ist denen, die nach Abschiebungen rufen, egal. Sie kümmert es auch nicht, dass es humanitäre Gründe für eine Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gibt. Drewes stellt mit Bedauern fest: „Eritrea gehört zu den Ländern, in die Europa prinzipiell nicht abschiebt, egal wie die Bitte um internationalen Schutz entschieden wird.“ Tatsächlich gibt es Staaten wie Eritrea (oder auch Syrien und Irak), in die auch nach einem abgelehnten Asylverfahren nicht abgeschoben wird. Aus gutem Grund! Der/Die Asylbewerber/in konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm/ihr im Herkunftsland Verfolgung oder unmenschliche Behandlung droht. Glücklicherweise rechtfertigt dies aber noch nicht die Abschiebung in ein Land wie Eritrea, in dem sehr wohl jede Person, die in einem anderen Land Asyl beantragt hat, mit menschenrechtsverletzenden Repressionen zu rechnen hat. Daher wird die Abschiebung ausgesetzt. Das ist nicht bedauerlich, das rettet Menschenleben.

In seinem Kommentar suggeriert Drewes, Geflüchtete aus afrikanischen Staaten würden „vor Hunger und Not“ fliehen. Hier wird das bekannte rechtpopulistische Bild des „Wirtschaftsflüchtlings“ bemüht, dessen Fluchtmotive vom Asylrecht nicht abgedeckt würden. Tatsächlich ist dies ein entscheidender Mangel des Asylrechts. Denn wenn schon über Fluchtmotive spekuliert wird, dann sollten die Fluchtursachen nicht außer Acht bleiben. Deutschland und Europa sind nicht unschuldig an Hunger und Not. Europäische Agrarsubventionen, unfaire Handelsabkommen, die Ausbeutung von Rohstoffen und Menschen in afrikanischen und anderen Staaten, Waffenexporte uvm. sichern seit dem Kolonialismus bis heute den europäischen Wohlstand. Hunger und Not, die nicht allein aber auch dadurch verursacht werden, sind humanitäre und damit legitime Gründe, in Europa Schutz vor dieser existenziellen Bedrohung zu suchen. Europa und Deutschland stehen deshalb in der Verantwortung, Fluchtursachen wirklich zu bekämpfen (und nicht nur davon zu reden), legale Fluchtrouten zu ermöglichen und Hunger und Not als Fluchtgründe rechtlich anzuerkennen.

Augsburger Flüchtlingsrat

Sonntag, 11. Juni 2017

Es reicht! Ausbildung und Arbeit statt Abschiebepolitik



Aufruf in:
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Arabisch
Französisch


Seit der Ankunft der vielen Flüchtlinge im Sommer 2015 sind viele in Bewegung geraten. Mit großem Engagement traten tausende ehrenamtliche Flüchtlingshelfer*innen für eine großartige Willkommenskultur ein.
Nun stehen Geflüchtete und Unterstützer*innen vor einem Scherbenhaufen. Trotz großen Bemühens beim Deutscherwerb, bei der Suche nach Ausbildungs- und Arbeitsplätzen wird diese Arbeit von zuständigen Behörden, von der bayerischen Staatsregierung und der Bundesregierung unterlaufen.
Über 100 afghanische Männer wurden in den letzten Monaten von Deutschland nach Kabul abgeschoben. Viele der Betroffenen arbeiteten jahrelang hier und waren bestens integriert. Einige standen kurz vor ihrer Hochzeit, andere wurden abgeschoben, obwohl sie schwer krank sind. Die Zahl derer, die von Abschiebung bedroht sind, ist um ein Vielfaches höher.
Flüchtlinge mit sogenannter „geringer Bleibeperspektive“, viele davon aus Afghanistan, bekommen Arbeitsverbote, sie dürfen keine Ausbildung aufnehmen und häufig gibt es nicht einmal einen Deutschkurs oder ein Praktikum.
Die Bedrohung durch Abschiebungen und Arbeitsverbote wirken wie ein Fallbeil gegen das Bemühen um Integration. Es verurteilt die Betroffenen zum Nichtstun und treibt viele in eine psychische Ausnahmesituation. Es ist ein Schlag ins Gesicht für alle Haupt- und Ehrenamtlichen, für Schulen und Betriebe. Und es hat eine enorme Vergeudung von Steuergeldern zur Folge.
In Petitionen, unzähligen Briefen und vielfältigen Protestaktionen in ganz Bayern wurde diese menschenverachtende Ausgrenzungspolitik angeklagt und kritisiert.
Wir sagen: Es reicht! So kann es nicht weitergehen. Es muss sich endlich etwas bewegen. Integration darf nicht bestraft werden.
Wer einen Ausbildungsvertrag bekommt, soll eine Ausbildung machen dürfen. Wer eine Arbeit gefunden hat, soll diese antreten und behalten dürfen.
Wir wehren uns auch gegen die Spaltung von Flüchtlingen entlang einer „besseren“ oder „schlechteren“ Bleibeperspektive und wenden uns gegen diese menschenverachtende Politik. Wenn sich die Regierung nicht bewegt, müssen wir uns bewegen!
Kommt alle – Ehrenamtliche Helferinnen und Helfer, Geflüchtete, Lehrerinnen und Lehrer, Engagierte aus Initiativen, Menschenrechtsorganisationen, Verbänden und Parteien. Unser Protest muss laut und kraftvoll sein!
Kein Arbeitsverbot für Asylbewerber*innen! Keine Verbote bei Bildungsangeboten und Ausbildung! Keine Abschiebungen nach Afghanistan! Wir erheben unsere Stimme – im Namen der Menschlichkeit!

Erstaufrufende: Arbeitskreis Kritische Soziale Arbeit, Asylhelferkreis der Gemeinde Berg am Starnberger See, Asyl Helferkreis Eching, Augsburger Flüchtlingsrat, Ausländer- und Integrationsbeirat Erlangen, Bayerische Ärzteinitiative für Flüchtlingsrechte, Bayerischer Flüchtlingsrat, Bellevue di Monaco, Bündnis für Flüchtlinge Kaufbeuren Ostallgäu und Umgebung, Dachverband der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer Deutschlands VETO, Förderkreis Asyl Gauting e.V., Frauenverband Courage e.V. München, Helferbund Asyl e.V. Buchloe, Helferkreis Haimhausen, Helferkreis Asyl Obergünzburg, Helferkreis Schnaitsee, INITIATIVE Ausbildung statt Abschiebung Regensburg , Interkulturelles Forum e.V., Internationalistisches Bündnis, Jugendverband Rebell München, Junges Bündnis für Geflüchtete München, Kademos e.V., Kinder auf der Flucht e.V., Migrationsbeirat München, Morgen e.V., Münchner Flüchtlingsrat, Münchner Freiwillige - Wir helfen e.V., München ist bunt, Netzwerk Bildung und Asyl Bamberg, Netzwerk „Willkommen in Vilsbiburg“, Rechtshilfe für Ausländer/innen München e.V., Refugio München e.V., SchlauSchule, Trägerkreis Eine Welt Haus e.V., Trägerkreis Junge Flüchtlinge e.V., Unterstützergruppe "Asyl/Migration Dillingen a.d.D." e.V