hier die Links zur AZ zum Gegenlesen:
Artikel: http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Studie-Jeder-zweite-abgelehnte-Fluechtling-bleibt-id41792566.html
Kommentar: http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Die-Grenzen-des-Asylrechts-sind-klar-gezogen-id41792571.html
Kommentar: http://www.augsburger-allgemeine.de/politik/Die-Grenzen-des-Asylrechts-sind-klar-gezogen-id41792571.html
Die Augsburger Allgemeine titelte am 21. Juni 2017 mit vorwurfsvollem
Unterton, dass „jeder zweite abgelehnte Flüchtling bleibt“. Der Autor des
Artikels, Detlef Drewes, kritisiert, es würde keine Rolle spielen, ob ein/e
Asylbewerber/in, „abgelehnt oder akzeptiert wurde“. In einem ergänzenden
Kommentar auf der Titelseite beklagt Drewes, „dass faktisch jeder Afrikaner,
der es nach Europa schafft, bleiben darf“. Somit würde die Entscheidung des
Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge über den Asylantrag „nebensächlich“.
Dies ist keine neue Argumentation. Rechtspopulistische Stimmen kritisieren seit
Langem wie Drewes, die deutsche Rechtsprechung würde unterlaufen, da die
Ausreisepflicht in vielen Fällen nicht vollzogen werde.
Diese Sichtweise ist irreführend. Im Aufenthaltsgesetz heißt
es in § 60a Abs. 2 Satz 1: „Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen,
solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich
ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird.“ Auf die meisten abgelehnten
Asylbewerber/innen trifft dies zu. Sie erhalten damit eine Duldung. Geflüchtete
werden in diesem Status an den Rand des Existenzminimums gedrängt, sie
unterliegen ausländerrechtlichen, sozial- und arbeitsrechtlichen
Sanktionsmechanismen – alles nur um ökonomisch, sozial und psychisch den Druck
zur „freiwilligen“ Ausreise oder zur Vorlage eines Passes, der die Abschiebung
ermöglicht, zu erhöhen. Die Regierung tut also sehr viel, um Ausreisen zu
erzwingen. Dass diese Asylpolitik Menschenleben nachhaltig zerstört und dass
sie Menschen die Selbstbestimmung raubt ist denen, die nach Abschiebungen
rufen, egal. Sie kümmert es auch nicht, dass es humanitäre Gründe für eine
Aussetzung der Abschiebung (Duldung) gibt. Drewes stellt mit Bedauern fest:
„Eritrea gehört zu den Ländern, in die Europa prinzipiell nicht abschiebt, egal
wie die Bitte um internationalen Schutz entschieden wird.“ Tatsächlich gibt es
Staaten wie Eritrea (oder auch Syrien und Irak), in die auch nach einem
abgelehnten Asylverfahren nicht abgeschoben wird. Aus gutem Grund! Der/Die
Asylbewerber/in konnte nicht glaubhaft machen, dass ihm/ihr im Herkunftsland
Verfolgung oder unmenschliche Behandlung droht. Glücklicherweise rechtfertigt
dies aber noch nicht die Abschiebung in ein Land wie Eritrea, in dem sehr wohl
jede Person, die in einem anderen Land Asyl beantragt hat, mit
menschenrechtsverletzenden Repressionen zu rechnen hat. Daher wird die
Abschiebung ausgesetzt. Das ist nicht bedauerlich, das rettet Menschenleben.
In seinem Kommentar suggeriert Drewes, Geflüchtete aus
afrikanischen Staaten würden „vor Hunger und Not“ fliehen. Hier wird das
bekannte rechtpopulistische Bild des „Wirtschaftsflüchtlings“ bemüht, dessen
Fluchtmotive vom Asylrecht nicht abgedeckt würden. Tatsächlich ist dies ein
entscheidender Mangel des Asylrechts. Denn wenn schon über Fluchtmotive
spekuliert wird, dann sollten die Fluchtursachen nicht außer Acht bleiben. Deutschland
und Europa sind nicht unschuldig an Hunger und Not. Europäische
Agrarsubventionen, unfaire Handelsabkommen, die Ausbeutung von Rohstoffen und
Menschen in afrikanischen und anderen Staaten, Waffenexporte uvm. sichern seit
dem Kolonialismus bis heute den europäischen Wohlstand. Hunger und Not, die
nicht allein aber auch dadurch verursacht werden, sind humanitäre und damit
legitime Gründe, in Europa Schutz vor dieser existenziellen Bedrohung zu
suchen. Europa und Deutschland stehen deshalb in der Verantwortung,
Fluchtursachen wirklich zu bekämpfen (und nicht nur davon zu reden), legale
Fluchtrouten zu ermöglichen und Hunger und Not als Fluchtgründe rechtlich
anzuerkennen.
Augsburger Flüchtlingsrat