Sehr geehrte Frau Weber,
sehr geehrter Herr Pintsch,
sehr geehrte Stadtregierung,
sehr geehrte Augsburger Stadtbevölkerung,
wir wenden uns mit diesem offenen Brief entschieden gegen den
geplanten Auftritt des rechtsextremen Autors Martin Sellner am 1.
Dezember 2024 um 14 Uhr in einer sogenannten „Untergrundlocation“ in
Augsburg. Dieser Auftritt steht exemplarisch für die Gefahr, die von
rechtsextremen Netzwerken ausgeht, und darf in einer demokratischen
Gesellschaft nicht unwidersprochen bleiben. Wir fordern die
Verantwortlichen auf, diese Veranstaltung zu verhindern und damit ein
klares Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen.
Wer ist Martin Sellner?
Martin Sellner ist eine zentrale Figur der europäischen
rechtsextremen Szene und Anführer der sogenannten „Identitären Bewegung“
in Österreich. Die Identitäre Bewegung gilt als eine der bekanntesten
Organisationen der Neuen Rechten, die mit scheinbar intellektuellen
Ansätzen rechtsextreme und rassistische Ideologien propagiert. In
Wirklichkeit ist die Bewegung tief in menschenverachtendem Denken
verankert.
Sellner wurde in der Vergangenheit mehrfach der Volksverhetzung
beschuldigt. Als führender Kopf der europaweit vernetzten Neuen Rechten
fiel er zudem auch durch seine Kontakte zu rechtsextremen
Terrorist*innen auf. So erhielt er etwa Geld vom Attentäter von
Christchurch, Neuseeland, der 2019 51 Menschen in zwei Moscheen
ermordete. Martin Sellner war auch zentraler Redner sowohl bei dem durch
Correctiv enttarnten deutschlandweit bekannten Geheimtreffens eines
rechtsextremen Netzwerks in Potsdam sowie bei einem ähnlichen Treffen in
Dasing bei Augsburg im November letzten Jahres.
Auch in Augsburg zeigten sich Vertreter*innen vieler Parteien
schockiert über den auf diesen Treffen diskutierten »Masterplan zur
Remigration« und beteiligten sich an den anschließenden Protesten. Jetzt
gilt es zu beweisen, sich die Stadt Augsburg tatsächlich wehrhaft gegen
Rechtsextremismus zeigt. Andere Orte haben dies bereits erfolgreich
vorgemacht: er erhielt Aufenthaltsverbote oder Platzverweise in mehreren
deutschen Städten, darunter Passau, Neulingen Ulm und Neu-Ulm sowie
Einreiseverbote in mehreren Staaten, etwa in der Schweiz, den USA und
Großbritannien. Wir fordern angesichts dessen von der Stadt Augsburg,
dass auch hier alle zur Verfügung stehenden rechtsstaatlichen Mittel
genutzt werden, um den Auftritt von Sellner zu verhindern.
Wofür steht Martin Sellner?
Sellners zentrale Ideologie dreht sich um das Konzept der
„Remigration“. Dabei handelt es sich um die Forderung nach einer
„Rückführung“ von Migrant*innen in ihre Herkunftsländer – unabhängig
davon, ob diese Menschen bereits seit Generationen in Europa leben, hier
geboren wurden oderlängst eingebürgert sind. Hinter dem Begriff
verbirgt sich die Vorstellung einer „ethnischen Säuberung“ Europas,
getarnt als angebliche „kulturelle Bewahrung“. Sellner spricht gezielt
von einer „Umvolkung“ oder einem „Bevölkerungsaustausch“, um Angst vor
Migration zu schüren und rassistische Ressentiments zu verbreiten.
Dieses Gedankengut ist keine harmlose Meinungsäußerung, sondern eine
Bedrohung für das friedliche Zusammenleben und die Vielfalt unserer
Gesellschaft. Es dient der Radikalisierung und Mobilisierung von
Rechtsextremen, die diese Ideen als Rechtfertigung für Gewalt und
Hassverbrechen nutzen.
Augsburg als rechtsextreme „Hochburg“?
Augsburg wird in rechtsextremen Kreisen zunehmend als „identitäre
Hochburg“ gefeiert. Kontakte zwischen der Identitären Bewegung, der
lokalen AfD und anderen rechtsextremen Akteur*innen, darunter
verurteilte Volksverhetzer und bekannte Faschisten, sind dokumentiert.
Dies gefährdet nicht nur das demokratische Klima der Region, sondern
auch die Werte von Vielfalt und Toleranz, für die Augsburg steht. Martin
Sellners Auftritt in Augsburg ist ein gezielter Versuch, diese
Netzwerke weiter zu stärken und seine menschenverachtenden Ideologien zu
verbreiten.
Forderung: Keine Bühne für rechtsextreme Hetze
Wir rufen alle zivilgesellschaftlichen Akteur*innen auf, die Gefahr
des Faschismus ernst zu nehmen und, wie bereits Anfang des Jahres,
geschlossen gegen diese Veranstaltung vorzugehen. Die Entschlossenheit,
die die Augsburger*innen und ihre Umgebung gegen Rechtsextremismus
gezeigt haben, muss auch jetzt wieder sichtbar werden.
Deshalb laden wir am Sonntag, den 01.12. um 12:00 Uhr zur gemeinsamen
Kundgebung auf den Königsplatz ein, um klar Position zu beziehen:
Augsburg ist bunt und vielfältig und rechtsextreme Hetze bleibt hier
nicht unwidersprochen!
Wir appellieren zudem an die Stadt Augsburg und die umliegenden
Gemeinden: Setzen Sie ein Zeichen gegen Hass und Intoleranz. Erst
kürzlich konnten Betretungsverbote in Ulm und Neu-Ulm die Lesung Martin
Sellners erfolgreich verhindern. Es gibt keinen Grund, warum Augsburg
hier eine Ausnahme machen sollte. Verhängen Sie ein Betretungs- und
Auftrittsverbot für Martin Sellner und rufen Sie andere Gemeinden dazu
auf, diesem Beispiel zu folgen. So können wir gemeinsam verhindern, dass
Augsburg zu einer Plattform für rechtsextreme Hetze wird.
Warum wir handeln müssen
Die Identitären und ihre Verbündeten gefährden die Grundlagen unserer
Demokratie. Martin Sellner und die Identitäre Bewegung stehen für die
Zerstörung einer offenen, pluralistischen Gesellschaft. Ihre völkischen
und rassistischen Deportationsfantasien richten sich gegen alle, die von
den Identitären nicht als Teil ihrer vermeintlichen „kulturellen
Gemeinschaft“ anerkannt werden. Augsburg darf nicht weiter als
Rückzugsraum für Extremist*innen dienen, die die Demokratie und die
Rechte aller, die anders denken oder anders aussehen, angreifen. Lassen
Sie uns gemeinsam zeigen, dass Augsburg für Toleranz, Respekt und
Solidarität steht. Lassen Sie uns verhindern, dassrechtsextreme
Propaganda eine Bühne erhält. Lassen Sie uns geschlossen gegen Martin
Sellner und die menschenfeindliche Ideologie, die er vertritt,
einstehen.
Mit Nachdruck und Hoffnung auf Ihre Unterstützung,
Augsburg gegen Rechts
Queerfeministisches Bündnis
Die Linke Augsburg
Linksjugend solid Augsburg
Bündnis für Menschenwürde
CSD Augsburg e.V.
GEW Augsburg
GEW Hochschulgruppe Augsburg
Fridays for Future Augsburg
MehrKollektiv
Kraetzwerk e.V.
Frauenzentrum Augsburg
AAF – Arbeitskreis Augsburger Frauen
VVN-BdA Augsburg
Integrationsbeirat Augsburg
Augsburger Flüchtlingsrat
DGB Jugend Augsburg
Corner Chor
Duophonic
Grandhotel Cosmopolis
Omas for Future Augsburg
Torsten Falke, Bezirksleiter IGBCE Augsburg
Silke Klos-Pöllinger, DGB-Regionsgeschäftsführerin und Kreisvorsitzende Augsburg
ver.di Bezirk Augsburg
SPD Augsburg
Tür an Tür Integrationsprojekte gGmbH
Klimacamp
EVG Schwaben
Jusos Augsburg
Vorstand des raumpflegekultur e.V.
JCube e.V.
Augsburg in Bürgerhand
attac Augsburg
IG Bauen Agrar Umwelt
GRÜNE JUGEND Augsburg
BÜNDNIS 90 / DIE GRÜNEN – Stadtverband Augsburg