Feuer in Moria: Totalversagen in Europa
Für die Eskalation in Moria sind die EU und
die griechische Regierung verantwortlich. Aber viele andere haben sich
mitschuldig gemacht
In der Nacht auf Mittwoch brannte ein Großteil
des sogenannten Hot Spot-Lagers mitsamt der inoffiziell als Lager mitgenutzten
Umgebung – die Olivenhaine – auf der griechischen Insel Lesbos. Noch gibt es
keine Meldungen über Tote und Verletzte aus dieser Nacht in Moria. Hoffentlich
bleibt es dabei. Allein die Gedanken an die vor den Flammen weglaufenden Kinder
machen traurig und zornig. Zweifelsohne wurden in dieser Nacht viele Menschen
erstmals oder erneut traumatisiert.
Doch die Eskalation ist kein Zufall. Wer
13.000 Menschen – teilweise bis zu 20.000 – in ein Lager mit einer Kapazität
für 2.800 Menschen pfercht, wer diese Situation trotz Corona aufrechterhält und
nicht evakuiert, wer nicht dafür Sorge trägt, dass die Menschen genug Wasser,
genug Nahrung, genug hygienische und medizinische Versorgung erhalten, wer also
ganz bewusst Menschenrechtsverletzungen organisiert, der hat die Eskalation
geradezu provoziert.
Verantwortlich sind die griechische Regierung
und die Europäische Union mitsamt ihrer vor Ort tätigen Organisationen. Ende
2015 beschloss die EU eine Migrationsagenda, die vorsah, dass an den
EU-Außengrenzen sogenannte Hot Spots eingerichtet werden. Doch statt die
geflohenen Menschen dort zu registrieren und auf die Mitgliedsstaaten weiter zu
verteilen, sitzen zehntausende auf den griechischen Inseln fest. Der
EU-Türkei-Deal trug sein Übriges dazu bei, dass die Menschen in den Hot Spots
in langwierige Vorprüfungen und Asylverfahren verstrickt werden. Der
bürokratische Apparat versagt total – auf Kosten der Menschenwürde.
Deutschland und andere EU-Mitgliedstaaten
haben sich mitschuldig gemacht. Trotz unzähliger Forderungen aus der
Zivilgesellschaft, verschleppt die Bundesregierung ihre Möglichkeiten der
humanitären Aufnahme von Geflüchteten aus Moria. Nur wenige Personen wurden
bislang aus dem Lager gerettet, dabei wäre es ein Leichtes, viel mehr Menschen
aufzunehmen. Dafür ist insbesondere Innenminister Seehofer verantwortlich, der
im Rahmen der deutschen EU-Ratspräsidentschaft auf eine gemeinsame europäische
Lösung verweist. Diese Lösung wird nicht ausreichend sein. Und das weiß
Seehofer sehr genau. Er kennt ja seinen faschistoiden Freund Viktor Orbán, den
er immer wieder gerne in Bayern hofiert hat. Aber nicht nur Orbán verweigert
sich einer Aufnahme von Geflüchteten. Statt Menschen zu retten, verhinderte
Seehofer zwei Landesaufnahmeprogramme von Berlin und Thüringen zur Aufnahme von
Menschen aus Moria. Nicht nur, dass es ein – möglicherweise rechtswidriges –
Novum ist, dass das Bundesinnenministerium Landesaufnahmeprogramme verweigert,
es kostet womöglich Menschenleben.
Wie geht es weiter? In einem Konzeptpapier des
Bundesinnenministeriums, das im Vorfeld der EU-Ratspräsidentschaft öffentlich
wurde, wird vorgeschlagen, dass durch „geeignete, notfalls
freiheitsbeschränkende Maßnahmen“ sichergestellt werden muss, dass sich
Asylsuchende nicht der Vorprüfung vor einem regulären Asylverfahren entziehen.
Konkret werden damit Inhaftierungslager legitimiert – für Menschen, die Schutz
suchen wohlgemerkt. Und die griechische Regierung hat im November 2019
angekündigt, die Hot Spot-Lager durch geschlossene Lager zu ersetzen. Auf der
Insel Kos gibt es bereits ein solches Inhaftierungslager mit hunderten von
Menschen und zwar Frauen wie Männer, Alte wie Kinder. Weitere sind in Planung.
Der Augsburger Flüchtlingsrat ist angesichts
dieser Entwicklungen zutiefst besorgt.
Wir fordern
- die Bundesregierung auf, sofort Resettlement
und humanitäre Aufnahmeprogramme zu initiieren und umzusetzen,
- die Bundesregierung auf, den Städten und
Kommunen die Möglichkeit einzuräumen, eigene Aufnahmeprogramme durchzuführen
oder im Rahmen vom Bund initiierter Aufnahmeprogramme mehr Menschen
aufzunehmen, als es nach dem Königsteiner Schlüssel vorgesehen wäre,
- die bayerische Landesregierung auf, endlich
ein eigenes humanitäres Aufnahmeprogramm zu initiieren und sofort umzusetzen,
- die Stadt Augsburg dazu auf, deutlicher als
bisher auf die im Stadtratsbeschluss vom 28.05.2020 beschlossene Aufnahme von
Geflüchteten in Augsburg (über die im Königsteiner Schlüssel vorgegebene Quote hinaus)
gegenüber dem Bund und der bayerischen Staatsregierung zu insistieren,
- alle Parteien und zivilgesellschaftlichen
Organisationen dazu auf, sich an die Bundesregierung, an die bayerische
Staatsregierung und an die Stadt Augsburg zu wenden und die Aufnahme von
Geflüchteten einzufordern,
- ein Ende der menschenverachtenden europäischen
Asylpolitik,
- ein Ende der Lager-Unterbringung (ob an den
EU-Außengrenzen oder innerhalb der EU),
- den Beginn einer Etablierung legaler
Fluchtrouten in die EU,
- dass Augsburg ein sicherer Hafen wird.
gez. Augsburger Flüchtlingsrat
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Sie erhalten dann die Kontaktdaten zu einem unserer
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