Unsere Pressemitteilung kann hier gelesen bzw. hier heruntergeladen werden.
Nachfolgende stellen wir den Redebeitrag von Dr. Maria Möller zum Nachlesen bereit:
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22.12.2018
Liebe Augsburger, liebe Zuhörer,
vor einem Jahr bin ich auch an dieser Stelle
gestanden.
Leider hat sich in diesem Jahr nichts
verbessert, im Gegenteil, die politische Situation wird immer menschenverachtender!-
Abschiebungen und Lager dürfen nicht zur Routine werden und darum ist es
wichtig, dass hier wieder eine Kundgebung stattfindet und ich hier stehen kann
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Ich bin Dr. Maria Möller, allgemeinmedizinisch
tätig in Gemeinschaftspraxis mit Dr. Elisabeth Friedrichs, die neben mir steht
und wir haben uns seit 2015 intensiv mit Flüchtlingen befasst, in den damaligen
Erstaufnahmen in Augsburg. Wir haben die medizinische Flüchtlingshilfe mit
aufgebaut und leiten beide naturheilkundliche traumaorientierte
Projekte - Frau Friedricha NADA Akupunktur im Grandhotel
und ich eine Homöopathische traumaorientierte
Ambulanz in den Räumen von Tür an Tür.
Wir kennen also die Sorgen und Nöte der
Geflüchteten. Viele sind krank und unsere Asylpolitik zerstört Menschen.
40% der zu uns gekommenen Menschen sind
traumatisiert, das ist fast jeder 2.! und sie leben in Angst und Anspannung!!! Wie kann man unbeschwert weiterleben, wenn der
Vater ermordet, die Tochter missbraucht wurde oder man in Libyen Folter, Vergewaltigung
und Todesangst erleben musste?
Kopfschmerzen, chronische Schmerzen allgemein,
Nervosität, Schlafstörungen sind nur die Spitze des Eisberges. Meist werden
diese Beschwerden nur mit Tabletten behandelt werden oder gar als hysterisch
abgetan. Menschen werden aus der Sprach-Schule geschmissen, weil sie nicht
stillsitzen können oder aufgrund von Konzentrationsstörungen nicht lernen
können. Stress führt zu psychischen Störungen, Aggressionen, Suchterkrankungen,
viele Probleme im Sozialbereich, die zu Vereinsamungsgefühlen führen – ein
Super-Angriffspunkt für extremistische Gruppen!
Er führt aber auch zu körperlichen Beschwerden, so
besteht z.B. ein Zusammenhang zwischen Depression und späterer Erkrankung an
Diabetes (die unser Sozialsystem belasten). Leider gibt es viele in unserer Bevölkerung,
die in den Beschwerden einen „sekundären Krankheitsgewinn“ sehen, also einen
Aufschub der Abschiebung aus gesundheitlichen Gründen. Dabei haben viele ihre
Traumatisierungen gar nicht geltend gemacht oder wissen gar nichts davon, denn
über schwere Traumatisierungen kann man nicht sprechen. Die Erfahrungen werden
zerstückelt im Gehirn abgespeichert und können im Zusammenhang nicht mehr
gesehen werden.
Engagierte Psychotherapeuten kämpfen mit der
fehlenden Bezahlung von Dolmetschern, können wegen der fehlenden
Sprachkenntnisse meist keine Therapien durchführen. Die wenigen
Stabilisierungsgruppen- z.B.von HiFF und der Traumahilfe angeboten sind kleine
Lichtblicke.
Was Menschen weiter krank macht sind die Bestimmungen
und Hürden hier in diesem unserem Land. Die Traumatisierung geht weiter! Die Abschiebungen nach Afghanistan, in ein
Land von Krieg und Terror, Verschleppung und Vergewaltigung und mit einer
miserablen medizinischen Versorgung- wo jedes14. Kind nicht das Alter von 5
Jahren erreicht! Das Leben in ständiger Angst- bin ich der/die
nächste, die abgeschoben wird? Die Dauerbelastung der Geduldeten, zwischen 2
Stempeln zu leben, für Äthiopier z.B. ist derzeit eine monatliche Verlängerung
der Duldung erforderlich die neue Verschärfung bei der Verlängerung für
Anerkannte: erneute komplette Überprüfung der Papiere, d.h. alle werden unter
den Generalverdacht der Täuschung gestellt.
Zum Thema Familiennachzug: es dauert! Männer
warten beunruhigt endlos auf ihre Familie; große Probleme beim
Geschwisternachzug- alles ist beantragt, es dauert lange, 1 Tochter, z.B. ist
inzwischen 18 Jahre und muss mutterseelenalleine im Ursprungsland
zurückgelassen werden- was das für eine Mutter bedeutet muss ich nicht
ausführen!
Kinder erleben aufgeregte und ängstliche
Eltern und verlieren ihr Selbstvertrauen, das wird in einigen Jahren als
Problem wieder auf uns zukommen und schließlich die Lager, Ankerzentren,
Rückführungszentren, bald Abschiebezentren: Menschen leben dichtgedrängt und
isoliert zusammen mit unzureichender medizinischer Versorgung (nur akute
Erkrankungen dürfen behandelt werden), meist ohne Sprachkurse - ohne jegliche Zukunftsperspektive, eine Art
„Massentierhaltung“ -
„Lager“- „Ghetto“, diese Wörter sollten uns zu
denken geben!
Eines der allergrößten Problem ist die
fehlende Arbeit. Arbeitslosigkeit macht krank. Jeder der selbst arbeitslos war,
weiß. Dass das Arbeitslosigkeit kein Urlaub ist, und dass der Arbeitslose nicht
einfach faul ist...
Mach dem Mordfall in NRW warnte der
Kriminologe Pfeiffer: Wer keinen Boden unter der Füßen hat, ist eher in Gefahr,
im Konfliktfall sogar zu töten. Wer sozial gut vernetzt ist, beruflich mit
klaren Perspektiven unterwegs ist, eine unterstützende Familie hat, hält Frust
aus.
Gleichermaßen sagt die Traumaforschung:
Psychische Gesundheit ist nicht möglich bei
Angst, bei bei fehlende Sicherheit und bei fehlender Zukunftsperspektive.
Wir dürfen nicht den Kopf in den Sand stecken
und uns hinterher über Zwischenfälle wundern, die sich keiner wünscht. Wir müssen weg vom bisherigen Ansatz im
Migrationsrecht: da ist Abschreckung, Verteidigung und Abschottung im
Vordergrund. Flüchtlinge werden zur Zeit nicht mehr als Menschen mit einzelnen
Schicksalen betrachtet, sondern als s solche, die nicht hierher gehören, die
man jagen und vertreiben muss.
Wir müssen den §1 der Menschenrechte – alle
Menschen sind gleich und das Menschenrecht auf Gesundheit achten! Gesundheit
ist ein Menschenrecht!!!Die oberste Pflicht eines Staates ist es , auf die
physische und psychische Gesundheit zu achten!
Wir müssen eine offene, tolerante Gesellschaft
werden, in der jeder einzelne in seiner gesamten Persönlichkeit und Haltung
zählt, unabhängig von Herkunft.
Wir wollen die Menschen anhören, eine positive
Haltung heilt einen hohen Prozentsatz von Beschwerden. Wir müssen begreifen,
dass wir es mit Menschen zu tun haben!
Lasst uns zusammenhelfen nicht nur die
Anpassung der Anderen zu fordern, sondern versuchen wir, die Fremdheit abbauen,
für ein selbstbestimmtes Leben miteinander!
Lasst uns zusammen mit den Communities nach
gemeinsamen Wegen suchen, nicht mit unserer Überlegenheit! Der Staat muss mehr
investieren in die Vorbeugung!
Zum Abschluss möchte ich noch auf einen
Fachtag hinweisen, der für alle offensteht. FiLL e.V: veranstaltet am Samstag
den 2. Februar 2019 einen Fachtag „Interkulturelle Medizin“ im Augustanasaal,
wozu jeder eingeladen ist.
Wir müssen ein neues Verständnis von Fremdheit
bekommen, mit Wertschätzung der Individualität
und der Wahrnehmung von Unterschieden und
Gemeinsamkeiten
Wir brauchen VIELFALT!
Dr. med. Maria Möller, Augsburg